Wir, linksaußen als Kalb

Einen Geburtstag würdig und schon gar erinnerungswürdig zu begehen ist so leicht nicht. Nicht jeder hat sowieso den Antrieb und die Laune, schon klar; dann soll er/sie es auch lassen, auch gut. Doch wenn schon begehen, dann bitte krachend und scheppernd. So dass der Kater am Tag danach nicht auf allzu leisen Pfoten kommt. Dass der Kopfschmerz die Erinnerungswürdigkeit für die nachfolgende Generation festmacht. Wenn nicht gerade Freitanz oder geburtstagsadäquate Versteckspiele angesagt sind und man einen Platz auf der Eckbank am Holztisch zugewiesen bekommt, ist man allerdings einen Abend lang festgenietet und seinen Nachbarn also für Stunden ausgeliefert. Ein Glücksfall, wenn einer der Nachbarn was zu erzählen hat, das erzählenswert ist. Neulich schon. Neulich erzählte ein Geburtstagsfestnachbar von Patagonien. Von den Einöden im chilenischen Teil Patagoniens. Wie da ein hübsches Mädel, sein Ausdruck, ein Kalb schlachtet; und fachmännisch hernach zerlegt; und zwar nur, weil es das Kalb nicht auf den Pickup rauf kriegt, um es in dem weit, weit entfernten, dennoch nächstgelegenen Einödflecken verkaufen zu können. So in Kurzform & in stiller Bewunderung erzählerseits erzählt. Was konkludiert daraus? Dass man in Patagonien praktisch denkt. Dass jemand gleichzeitig hübsch und grausam und geschickt mit Messer in Hand  sein kann.  Dass Kälber und Pickups eine Konstellation bilden, die es zu vermeiden gilt. Dass ein Kalb nur bedingt ein Mensch ist; bedingt durch Lebensumstände, in denen auf einen Tierschutzvereine und Vegetarier einreden.  Konklusionen aus Geburtstagsfesten mitzunehmen ist des Bürgers oberste Pflicht. Die zweitoberste strenggenommen – nach dem Naseputzen. Konklusionen sind Webstoff für Erinnerungen. Könnte am 12. Spieltag Heribert Bruchhagen gesagt haben. (Selten gerät man an Namen, an Vor- und Familiennamen, die derlei aufeinander abgestimmt sind wie dieser hier. Es scheint fast, als gäbe es in den Hemisphären einen Gott, der es gut mit uns meint …) Oder aber Jürgen Habermas, wenn er lyrisch gestimmt wäre.  Ja, genau, jener Habermas, der gelegentlich am hiesigen See bei Spaziergängen zu begutachten ist, den man aber nicht im traumatischsten aller Träume  anzusprechen wagen würde, alleine ob des Gewichts SEINES Intellekts, der einem bereits bei einem selbst unzureichendem Wort aus des Meisters Mund – einem Oho! oder aber Aha? – auf die Füße stürzt wie ein muchtoomuch dimensionierter Brocken abgestandenen Humus. Deshalb fällt die Wahl diesmal auf Bruchhagen (Heribert). Eine der dringendsten Weisungen für einen ernstzunehmenden Journalisten lautet: keine Wortspiele. Und schon gar nicht:  Wortspiele mit Namen. Deswegen nur so viel: Bruchhagen kommt aus Düsseldorf, nach Hagen Luftlinie nur 50,20 km. Wenn aber Hagen bricht, und man bricht in Hagen schon mal nicht nur im Weihnachtfieber unisono … Man könnte da jedenfalls was konstruieren, das halbwegs geschmacklos ausfallen dürfte. Lassen wir aber. Aus sonntäglicher Pietät vor allem. Man ist ja kein Unmensch (am Sonntag). Es sei denn … Man will einer sein. Kann sich keinen anderen Berufswunsch vorstellen, kein anderes Lebensziel. Dann ist Unmenschsein doch im Grunde ein super Einfall, nicht ein bisschen was dagegen einzuwenden vorläufig. Dann ist man an nix gebunden. Ein grenzenloses Leben. In Pantoffeln aus Kobraleder. Kalbsnierchen aus Patagonien zum Frühstück schon. Wo wir sie doch erst, zumal am Sonntag,  ab ca. 12.30 Uhr auf den Tisch erwarten. Auch Inhumanität ist ja für den Menschen gemacht. Sagt Habermas (Jürgen), wenn er beim Seespaziergang  Heribert B. begegnet. Begegnet er aber nie. Weil die beiden, Obacht: eine Art Wortspiel, in einer anderen Liga spielen. Habermas linksaußen bei den Kickers (Offenbach), Bruchhagen bei den Altherrn Eppendorf als verkappte 12. Das kann man sich auf alle Fälle so ausmalen. Wenn man, gerade am Sonntag, zu viel Muße  hat. Wenn man wenig Muße hat, malt man sich moderat was aus. Mandalas aus Cabo Verde sind da empfehlenswert. Passen in jede Damenhandtasche. Ansonsten: Einöde. Am Freitag zieht das Jazz Podium zu uns um. Ein großer Aufriss. Wer helfen beim Kistenschleppen mag, den hindern wir nicht . Wer nicht mag, der soll gleich dorthin, wo der Pfeffer wächst. Oder mindestens nach Patagonien. Kälber schälen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*