Deutschsein. In Tagen wie diese…

Zum WM-Aus sind der Worte viele gewechselt. Zumeist viele unschöne. Unschön, doch dafür oft ungerecht. Wenn man sich beispielsweise im Zeitungskiosk eine Weile aufhält, wo Fußballwetten angenommen werden am besten, erfährt man rasch, was den Deutschen en gros erzürnt.  Dass er das Nichtstun, auf dem Feld, doch auch gern daneben, sehr tief verachtet. Dass er dabei sofort ans Geld denkt, für das man ja was tun muß. Dass er das Nichtstun gepaart mit Unordnung noch mehr verachtet. Dass der Deutsche sich wünscht, jedwede Form von Laschheit aus dem menschlichen Genpool – da Theodosius Dobzhansky folgend;  welch ein Name; man stelle sich vor, er schösse ein Tor gegen respektive für Deutschland und ein brasilianischer Reporter dürfte seinen Namen übermotiviert ausrufen – eliminiert gehört; zumiendest Pi mal Daumen so. Jeder der Spieler verdiene doch so viel, dass er quasi von der Geldmenge allein bewegungsunfähig gemacht werde, so Daumen mal Pi die Worte des Deutschen von nebenan im Kiosk von nebenan. Geld als einzige Motivation, die einen auf den Beinen & instand hält. Kann, muß aber mitnichten sein. Geld mag die Welt regieren, den Einzelnen muß es nicht zwangsläufig. Für einen halbwegs menschlichen Sportler mit randvollem Genpool sollte es andere Motivationsquellen geben. Ein gut belegtes Butterbrot zum Beispiel. Oder ein Buch mit vielen Bildern, empfohlen vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, dem er sogar Zitate entnehmen kann, die beim Interview am Spielfeldrand Verwendung finden. (Da fällt mir ein: Relativ tröstlich, das bis ins letzte Detail durchgeplante, obsessiv fitnesskontrolierte, zu Tode videoanalysierte Vorgehen des überbordenden deutschen Trainerstabs scheitern zu sehen. Das deutsche Ingenieurswesen, das hier am Werk war, gelang an eine Grenze, wo möglicherweise nur noch Unbefangenheit weiter hilft, die ohnehin über mehr Bizeps als jeder Ingenieur verfügt.)  Ein Zufall respektive Kismet, dass am gleichen respektive selben Tag des deutschen Endspiels, vor dem Endspiel vielmehr, einem ein überaus netter Israeli einen Aufkleber zeigt. Mit einer Art tieferer Wahrheit oder doch nur einem „Deutschsein. In Tagen wie diese…“ weiterlesen

Messi respektive Die Krise

Führungskrise. – Könnte man jetzt ohne größeren Hintergedanken  mal hinschreiben und in wenigen Zeilen beweisen wollen, dass es stimmt. Man könnte. Wenn, dann führt die WM gegenwärtig unseren Alltag, ob man nun will oder nicht. Ohne einen Fußball als Emblem kommt kein Medium momentan aus. Jede Chipstüte hat einen, jedes Lustige Taschenbuch, aus jedem noch so verkommenen Loch suppt das Ergebnis von Marokko gegen Iran durch.  Doch abgesehen von Cristiano Ronaldo, der das wirtschaftlich im Aufschwung befindliche Portugal mit Toren füttert, vielleicht abgesehen noch von Luka Modric für die gut sortierten, sonnenverwöhnten Kroaten (Stand Sommer 2017), scheitern die vermeintlichen Führungsspieler reihum. Toni Kross führt Deutschland nirgendwohin, ins Aus, ja, dorthin womöglich; Lionel Messi folgte Argentinien gegen Kroatien fast widerstandslos in die Pleite, Robert Lewandowski führte noch nie jemanden (seine Frau aus, das schon), Sadio Mané war kaum zu erkennen,  es sei denn am hellen Strich im Toupet, Senegal gewann ohne ihn, Neymar da Silva Santos nahm nichts – im übertragenen Sinne – in die Hand respektive – im wortwörtlichen Sinne – auf den Schlappen, Mohamed Salah fiel für Ägypten in der ersten Partie ganz aus, dann blieb er ohne erkennbare Unterstützung seiner Mannschaft wirkungslos… Es könnte unverfänglich sein, aus jenen Anzeichen eine Führungskrise zusammenzustückeln. Eine gesellschaftlich relevante sogar. Der Einfluss des Fußballs auf die mentale Verfassung eines Landes, von guten Teilen der „Messi respektive Die Krise“ weiterlesen

Wladimir fällt ein

Wenn die Not groß ist, wie jetzt gerade, wird jeder Gegenstand um einen zum potentiellen Stofflieferanten. Sogar die als beschränkt längst abgetanene Fliege, die sich im Moment an den Honigresten auf dem Tischblatt versucht. Sie könnte uns in dieser Not von nahen Ländern erzählen, die sie durch ihr Facettenauge zu sich genommen hat, vom Effekt des Rundumblicks also, mit dem die Fliege mehr wahrnimmt als der Mensch – mit dem Wahrgenommen allerdings wohl weniger anzufangen weiß, außer, nicht unwesentlich, ihr Überleben zu sichern. Es ist nämlich so: Es ist kurz nach acht Uhr und im Laufe des Vormittags muß dieser Text raus, dem ein übergeordnetes Thema fehlt. Ein Thema, das die Sicht frei macht, Hoffnung offenbart, dem Tod den Garaus ankündigt. So der Anspruch vorläufig. Die WM wäre ein Themakandidat. 5:0 für den Gastgeber. Es ist immer gut, wenn der Gastgeber, selbst wenn der Russland heißt, gewinnt, weil dann jenes besagte Land ein Stimmungshoch ergreift, das sich den Gästen direkt sowie über TV/Streamingdienst mitteilt. Fröhliche Russen, das tut letztlich auch Unrussen gut. Heute Portugal gegen Spanien, darauf kann man sich vorsichtig freuen. Ägypten gegen Uruguay um 14 Uhr, was für fußballferne Ohren nach einem Scherz klingt, auch das dürfte ein sehenswertes Spiel sein. Iran gegen Marokko? Bei Iran haben wir immerhin inzwischen die Einsicht in die Nuklearstruktur, Regisseure von dort gewinnen dann und wann bei der Berlinale mindestens einen Schokobären, Persien aka Iran ist ein Traumland aus 1000 plus einer Nacht; Marokko aber hat neuerdings die WM 2026 nicht zugesprochen bekommen, Paul Bowles war mal länger da, auch William S. Burroughs, damals, als Drogen unter tadellos blauem Himmel eine 1000 plus eine bessere Wirkung entfalteten, ferner bei diesen westlichen Nordafrikanern: das Atlasgebirge, Gnawa-Musiker; an von der Haut befreite Hammelköpfe auf dem alle Hygienevorschriften tapfer ignorierenden Markt erinnere ich mich, an in Harissa ( هريسة) eingelegte Oliven, die nie wieder so geschmeckt haben wie da, an Eintätowiertes im „Wladimir fällt ein“ weiterlesen

The Cage

Die Finals der NBA werden womöglich heute entschieden. Vermutlich werden die Warriors aus Oakland die Cavs aus Cleveland, die zu sehr von LeBron James abhängen, vier zu null einmachen. Hochgezüchtete Profis treten da gegeneinander an.  Gut anzusehen, feine Korbleger, aber eben gezüchtet. Derweil kämpft die Jugend auf Asphalt um einen Zipfel wenn nicht des Ruhms, so doch der Anerkennung. Das  Bild nebenan zeigt The Cage, eine New Yorker Institution in Sachen Straßenbasketball. Gleich um die Ecke vom Blue Note, um zwei Ecken von jenen Lokalen, in denen Bob Dylan groß wurde, um drei Ecken schließlich vom Washington Square entfernt. Das Feld ist eingezäunt, damit der Ball nicht auf die 6th Avenue fällt.

Hier ein paar Schnappschüsse vom letzten Samstagnachmittag im Mai. – Dies für Alexander vor allem.

Ein Break. Gleich zwei Trainer reden auf die Jungs aus der Juniorenabteilung der New Yorker Knicks ein. Viel sagen müssen sie nicht, denn ihre Schützlinge machen es gut gegen die The Cage-Mannschaft von der 4th Street. Sie führen ziemlich deutlich, bestimmen das Spiel.

 

Keine Widerrede. Die Heimmannschaft liegt zurecht zurück. Zu viele Fehlwürfe, wenig Körper. Läuft heute nicht. Oder mindestens in die verkehrte Richtung.

 

 

 

 

 

Pause.
Allerdings nicht unbedingt für jeden. Am Zaun hängen Dutzende von Bewunderern oder lediglich Neugierigen, die ein Foto von The Cage und deren Insassen dringend brauchen. Denn das hier ist ein Synonym für New York City.

The Cage heißt nicht umsonst Der Käfig.

 

 

 

 

 

 

Nicht umsonst heißt Käfig The Cage.

 

 

 

 

Einer der Supporter hinter dem Zaun. Ein Chilene mit Fahne um Kopf und mit einem Kinderwagen, in dem er einen Ghettoblaster geparkt hat. Mit dem spielte er während der Pausen Lieder von Prince ab. – Der wäre gerade 60 Jahre alt geworden,  statt dessen aber: R.I.P. Dennoch, ein schmales Wunder, setzt sich Prince gegen den Lärm auf der 6th durch.

 

In einer Pause wie dieser spielte der patriotische Chilene seinen Prince.

 

 

 

 

 

Auch so einer. Der mit dem Megaphon. Innerhalb von The Cage in einem sog. Director’s Chair gewichtig sitzend, doch gut was vom Spielfeld entfernt und trotz Sonnenbrille mit unbestechlicher Sehkraft gesegnet. Eine Art Obertrainer, der das Spielgeschehen laufend kommentiert, aber auch den Spielstand mitteilt. Eine recht coole Gestalt, die sich, wie der Bayer wo angebracht respektvoll anmerkt, nichts scheißt.

Die Knicks gewannen. Vielleicht lag es daran, dass sie mit zwei Trainern sozusagen aus zwei Rohren befeuert wurden. Zwei Rohren, die außer Lautstärke auch über verhältnismäßig  angsteinflüssende Stiernacken sowie Oberarme verfügten.

 

 

Und weil wir von Nacken sprechen. Hier noch einer. Der von Archie Shepp. Auch schön. Warmgehalten vom Fransentuch, drunter das gepolsterte Teil vom Nackenband, an dem er gewöhnlich sein Saxophon hängt – um The Cage rum, das sich unweit des ruhmreichen Clubs Village Vanguard befindet, wo Shepp häufiger zu Gast war,  neck strap genannt.
(Ein paar Worte mehr zu Shepp in der Rubrik Free For All.)

Ein wenig Kunstfotografie in ihren Anfängen zum Abschied. Ohne Bezug.
Scheinbar ohne Bezug.
(Denn es könnte leicht die an der Subway-Haltestelle Smith St kunstfotografierte Kopie eines streng geheimgehaltenen Entwurfs sein, der von New York City bzw. von James Brien Comey, Jr. aus einen interkontinental angelegten Nackenvergleich anstrebt, den allerdings ursprünglich als Wissenschaftler verkleidete Amphibien in einer Drogenklinik auf einer als Bohrinsel verkleideten Riesenschildkröte westlich von Oregon angeregt haben, einen Nackenvergleich, der überall außer in Bolivien greift, da dort, gerade aber in der Provinz Manuripi, der Nackenumfang eines gewöhnlichen Simón Bolívar den Umfang einer Riesenbromelie (Puya raimondii) in voller Blüte, die in den Höhenlagen zwischen 3500 und 4500 Metern gedeiht, locker… Wir setzen an exakt dieser Stelle im Laufe nächster Woche an.)

 

 

 

Der Veteran schnappt

New York kann tödlich sein und lebensrettend – das unter seinen zahlreichen Spannungsfeldern ungefähr seine reizvollste, weil radikalste Zweischneidigkeit. Man muss also auf der Hut sein. Den Hut aufhaben, einen  tellergroßen, aus Stroh, der waghalsig auf der Schädelkante sitzt, geht auch.  Schützt aber vor der Sonne nur. Die ja ab dem Memorial Day vor einer Woche, dem offiziellen Sommeranfang in der Stadt der Städte, recht zuverlässig scheint. Und die eine ziemlich unbarmherzige Hitze produziert, die, auch wieder zweischneidig, einerseits äußerst komprimiert und trocken ausfällt, andererseits das Versprechen der Linderung seitens der latenten Atlantikbriese mit sich bringt. Neben der BAM (Brooklyn Academy of Music) auf den breitgezogenen Treppenstufen zu sitzen, ein vegetarisches Burrito von Cesar’s Truck nebenan, der unweit von 9 bis 9 parkt, in der europäisch-designten Pfote, ist nicht unbedingt eine glorreiche Idee, denn die Hitze frisst einen schier auf. Man kann es aber machen, etwa des massiven Verkehrsaufkommens wegen, das an der Gabelung Flatbush Ave und Lafayette Ave  die Luft zu zerreißen droht und wo man braungebrannte Oberkörper in kaum verkehrstauglichen Vehikeln und ohne Helm beobachten kann, die zu überirdisch lauter Musik derlei Gas geben, dass einem der Burrito doppelt gut schmeckt. Alles scheint hier möglich und wenn man gerade denkt, das aber sei nun der Gipfel der Unmöglichkeiten, hoppala, passiert geradewegs um die Ecke Unmöglicheres, Niedagewesenes,  vom Grundrecht her Sträfliches bzw. von demokratischen Verfassungen quasi um den Globus Verbotenes, Gotteslästerliches, mehr Jen- denn Diesseitiges. New York, New York – hierbei sich bitte nicht den Frank Sinatra, der den so betitelten Gassenhauer auch mal „Der Veteran schnappt“ weiterlesen

Fly or Die

New York Is Killing Me. Sosehr ich den Poppoeten Gil Scott-Heron schätze, ihn auch aus seiner Sicht verstehen kann, als Schwarzer in den Sechziger-/Siebzigerjahren, als Junkie in der alles fressenden Metropole, uneingeschränkt zustimmen kann ich seinem oben angebrachten Liedtitel nicht.  Mein einwöchiger Ausflug nach New York Ende Mai versorgte mich, nach einer zwischenzeitlichen Erlahmung da wie dort, vor allen Dingen mit monströser Energie, die hoffentlich bis in den Herbst hinein reichen wird. (Einer Energie, um alles um mich zu zerlegen und neu zusammen zu fügen – mit der auch.) Beim New York-Aufenthalt meint man immer, sich im Auge jenes Orkans zu befinden, der die Welt mit seiner Triebkraft versorgt. Man wartet dort nichts ab, sitzt ganz und gar nichts aus, man pusht fortwährend. Was ist und was war, das ist zwar da, eingeschrieben in die Stadt und deren – meinetwegen – Story, interessiert aber im Alltag kaum, es zählt: was wird. Nach der Rückkehr, bereits in der S-Bahn vom Flughafen,  kam mir hierzulande wieder mal alles grau und wenig weltbewegend vor. Zu New York gehören folgerichtig auch Visionen, die auf das Wird verweisen und die gewöhnlich mit aller Härte durchgesetzt werden. Passenderweise gibt es in New York das Vision Festival. Erneut, nach kurzer Abwesenheit an diesem Ort, sechs Abende lang im  Roulette, einem Theater in Brooklyn. Das letzte Mal hörte ich innerhalb der BRD von Visionen Jahre her, als mich ein Irrer mit Hut vorm Dallmayr ansprach; und kurz darauf im Filmtitel über Hildegard von Bingen
( 1098-1179; Regie: Margarethe von Trotta; starring: Barbara Sukowa). Man betont beim Vision Festival seit jeher den Community-Gedanken stark, also den Zusammenhalt von mit ähnlichen Visionen versehenen Menschen.  Es „Fly or Die“ weiterlesen

The End: Nur die Wurst hat 2

Vorweg ein Wort noch zum Blog vom 11.5.
Einige von Euch haben offenbar die dort geschilderten Ereignisse als erfunden abgetan. Dabei ist die Geschichte um das Geld auf der Strasse wahr.  Das schwöre ich an dieser Stelle an des Eides statt. Bisweilen setzt die Wirklichkeit die Imagination schachmatt, das die allseits bekannte Konklusion vielleicht.

Das Ende naht. Das Ende der Woche, bald sogar des Monats, der Wonne verspricht, doch nie Versprochenes hält, ferner: Ende des Sommers, im Laufe des Jahres das Ende aller Träume möglicherweise auch; so ein böswilliger Gott es möchte selbstverständlich nur.  Wer die zumeist allerhand Glückseligkeiten zeugende Netflix-Serie „Unbreakable Kimmy Schmidt“ kennt, die vor Spannkraft nur so strotz, so dass die Gagdichte sie von innen heraus schier zu zerlegen droht, obgleich sie möglicherweise ausser des üblichen uramerikanischen Positive Thinking-Ware keine sonderlich durchschlagenden Erkenntnisse bereit hält, dem wird selbst dieser noch gemäßigt destruktive Einstieg nicht gefallen, aber gut, wie Rudi Völler einst gerne sagte, vor allem als Bundestrainer sagte er das gern, aber gut, wir sind verpflichtet, auch mal aufs Grobe & Ganze zu gehen; wie bei der WM 2002 z.B., bei der Völler coachte. Geendet. Geendet hat bereits etwa der Traum, als Gründungsmitglied der Bundesdeutschlandliga  unabsteigbar zu sein – das gilt für den HSV, von Gutmeinenden gelegentlich auch Hamburger Sportverein genannt, auch wenn seitens der Hanseaten nicht immer in sportliche Aktivitäten investiert wurde – vom Finanzier, dem Herrn Klaus-Michael Kühne, einem Millardär aus der Freien Pfeffersacklandschaft, seit jeher in Logistik, von manch einem Anhänger im letzten Spiel in Pyrotechnik und Vermummungstaktiken. Man darf sich auf die Duelle und bestimmt einige Scharmützel bzw. gar Straßenschlachten beim Derby in der Liga 2 vom „The End: Nur die Wurst hat 2“ weiterlesen

Old School in kurzer Hose

Terminologie ist oft nur eine Frage der Sichtweise. Wer noch vor wenigen Tagen mir gegenüber „alte Schule“ erwähnt hätte, der musste, zumindest in meinen Ohren, die Schule im Ort meinen, in der wohl bis in die Sechzigerjahre hinein klassenübergreifend unter „Volksschule“ unterrichtet wurde, wo sich  der  Veterenenverein und die Blaskapelle treffen, wo man Senioren betreut, in der ein Psychotherapeut einen Raum gemietet hat sowie die Musikschule, wo schließlich Rumpelgut in Rumpelkammern deponiert wird. Ein hübsch anzuschauendes einstöckiges Haus, mit warmfarbiger Fassade, eine Quitte davor. Jetzt wird diese ehemalige Schule renoviert, um demnächst dem Kindergarten, dem die Räumlichkeiten nicht mehr ausreichen, mehr Platz zu bieten. Es waren ursprünglich Kinder drin, es kommen wieder welche rein, insofern alles schön und gut wahrscheinlich. Doch das war sie schon, die ALTE SCHULE für mich bislang. Nein, nicht so ganz. Alte Schule können nämlich Sätze sein wie: Ich möchte nur dein Bestes. Von der Mutter. Oder vom Vater: So und nicht anders. Oder, auf die Frage „Warum?“ von allerhand Seiten: Weil ich es so will.  Sätze, wo einem alles aus der Hand fällt.  Selbst wenn man nichts in der Hand hat. Und falls man sich nicht eine dicke Haut zugelegt hat, die antialteschulbeschichtet ist. Manche alte Schulen haben womöglich noch nie argumentiert. Sie folgen offenbar dem seit  Bildungsbeginn bekannten Banner: Wir trichtern in der Schule fürs Leben ein. Am allerliebsten in kurzen, einprägsamen Sätzen, denen zu widersprechen zwecklos ist. Ich stehe vorne, am Pult oder in der Rangordnung, und habe ein paar graue Haare und weiß deshalb, wie es geht. So ungefähr. Alte Schule und alter Hase, der mehr oder minder schmierige Wiener bzw. Pole, der einer Frischgeföhnten  beim Pausenhäppchen in der Philharmonie  die Tatze küsst, gehört selbstredend dazu, sind hierbei ein Tandem von ähnlicher Statur. Im Rap, dem Reden um des rhythmischen Redens willen, heißt „alte Schule“ dann „Old School“ und „Old School in kurzer Hose“ weiterlesen

Der unergründliche Unfried

Mal im Ernst: Wie viele Kuhfladen passen in einen Schulranzen? 42, wenn ich richtig gezählt habe. Falls sie gut getrocknet sind aber nur, den Winter über im luftdurchlässigen Stadel, zuvor gern in oberbayerischer Prärie; 42, falls man sie geschickt aneinander reiht, dann nur; und sich zuletzt auf den Schulranzendeckel setzt. Kuhfladen oder Schulbuch, der Unterschied hat doch nun wirklich, jawohl, Geringigkeit. Sagen pubertierende Söhne zu ihren leistungsorientierten Vätern bisweilen. Oder die Väter zu den Söhnen, auch das kommt vor. Wer jetzt von diesen Anfangszeilen aus das Wesen dieses Blogschreibers ergründen möchte, dem wünsche ich viel Glück und starke Nerven. So leicht wird es nämlich nicht. Des Menschen Ansichten und Handlungen zu verstehen, gar des xbeliebigen Menschen Kern zu erfassen, muss fast zwangsläufig scheitern. In jetzigen Zeiten sowieso. Wie oft sehen wir ein Menschenexemplar kurz an, machen uns ein Bild von dessen umfassender Schönheit oder Schlimmheit oder Gewöhnlichkeit und im nächsten Augenblick enttäuscht uns derjenige/diejenige schon, weil er/sie gegen unser gerade entworfenes Bild redet/handelt und es schlussendlich zerdeppert. Den Menschen ein bisschen kommen lassen, wäre eine denkbare und bestimmt auch gangbare Strategie, geduldig warten bis er sich zur mindestens vermeintlich vollen Größe auffaltet, bis man ihn einigermaßen einschätzen kann, so dass man nicht enttäuscht wird. Zumindest nicht großflächig enttäuscht wird. Aber Geduld ist ein rares Gut heutzutage. Deswegen u.a. liegt man so oft bei der Einschätzung des Gegenüber falsch. Weil das geduldige Auge fehlt, das doch für eine wenigsten geringfügig brauchbare Introspektion unerlässlich ist.  Zeit haben, und nicht mal das gilt als sicher, Hartz IV- „Der unergründliche Unfried“ weiterlesen

Macaron live in Nürnberg

Der Unterschied zwischen Mensch und Mensch kann bisweilen genauso eklatant ausfallen wie der zwischen Kuchen und Kuchen.  Nehmen wir nicht  komplett wahllos: Nürnberg. Vergleicht man dort die Confiserie Neef mit der Patisserie Tafelzier, so handeln zwar beide Läden mit Süssigkeiten, das ist richtig, doch darin erschöpft sich schon dieser Vergleich. Während Neef für 4,50 ein Pizzaviertel von durchsahnten Kuchen in einem   Kaffeehausambiente – bestenfalls – wie ehedem  auffährt, tischt Tefelzier auf poretief reinen, auf Hochglanz gebrachten weißen Flächen einen Kunstgegenstand wie ein Éclair mit Karamelfüllung  und in Goldersatz gewendeten salzigen Erdnüssen auf; auch für 4,50, darin gleichen sich beide dann erneut. Praktischerweise sind beide Lokale nahezu Nachbarn; Konkurrenten sind sie mitnichten. Von vornherein klar ist nämlich, dass denkbar unterschiedliche Leute in den jeweiligen Etablissements verkehren. Am Nachbartisch bei Neef bespricht die altgediente, fränkisch unterfütterte Frau Neef mit einem  jungen Pärchen eine Torte mit Einhorn on top, die zum Geburtstag der fünfjährigen Tochter hergestellt werden soll, derweil nahezu zeitgleich bei Tafelzier die top frisierten, schwarz gewandten jungen Thekendamen mit der Hand im Handschuh Macaron, Choux, Sablés oder Pâte de fruit im maßgezimmerten Kartongehäuse unterbringen, Süßkunst, von der  ein an der anderen Thekenseite postiertes Dämchen – kaum 30 und schon gut miesgelaunt, deshalb mit vollem Recht: Dämchen – in einem durch einen zweifellos namhaften Modemacher bestimmt nicht der Lüftung wegen an Arm wie Schulter zersäbelten, kanarienfarbenen Top eine Ladung verlangt. Der Kaffee sei da wie dort nicht besonders, warnte meine Schwägerin im Vorfeld. Ihre Warung war offenbar Befehl – der Kaffee war im Endeffekt nicht anders als nicht besonders; selbst wenn da der Vollautomat, dort aber ein chromglänzender Siebträger Dienste taten. Weil aber der Mensch so vielfältig ausfällt oder, wahlweise, von einem missmütigen, zu gern Dämchen erschaffenden Gott ausgefällt wurde, gibt es garantiert in der Nähe von Tafelzier und Neef noch eine dritte und sogar eine fünfte Anlaufstelle, wo es „Macaron live in Nürnberg“ weiterlesen