Das Christkind: gestreichelt, nicht gerührt

Man kann klagen über den Mangel an Zeit, wie an dieser Stelle schon mal gelegentlich geschehen, doch merkt man jenen Mangel erst wirklich, wenn es Dezember 18 wird. Wo nicht mal Zeit für einen geraden Satz außerhalb der Jazz Podium-Welt bleibt. Diese Welt verlangt von einem nämlich derzeit vor allem eins: alles. Kein (bislang halbwegs fest einzementierter) Stein bleibt auf dem anderen, kein Familienmitglied auch nur peripher betreut, keine bisherige Ordnung insgesamt unangetastet. Der Beruf hat einen gefressen. Man teilt dabei das Schicksal von so vielen Menschenkindern.  Man opfert sich zwar in dieser zerstörerischen Weise nicht immer, doch beim JP dann doch schon ganz und gar freiwillig. Weil Jazz eine Haltung des Geistes ist, das nicht zuletzt. Und Arbeit ein Motor, der Erfüllung verheißt; weil Leistung ein Maßstab für Tauglichkeit als Mensch und als Maschine  ist; auch weil Zeitungmachen  – zwischendurch – Euphorie erzeugen kann; allemal, wenn man schließlich ein Eigenerzeugnis in den Händen hält.  (Journalisten haben eine Lebenserwartung, die knapp über der von Einstagsfliegen liegt; das nur am Rande und keineswegs als Klagelied angelegt.) So eine Herstellungsprozess eines eigenen Produkts, könnten auch mit viel Zuneigung erzeugte Salz-Dill-Gurken sein, eröffnet einem neue Sichtweisen. Neue Sicht auf sich und das Treiben rundum, wenn es hochkommt. Einige Seiten der Februarausgabe sind bereits angelegt und man staunt, wie doch der  Prozess, z.B. der fast tägliche Abspracheprozess mit dem Hersteller, einen kreativ herausfordert. Es ist alles in allem aufregend & befriedigend & sehr anstrengend.  Wenn man aber Weihnachten vor der Brust hat, scheint eine Explosion aller Gefäße nicht fern. Die Stimmung ist einem nicht danach, doch das Umfeld fordert Besinnlichkeit auf Teufel komm. Man macht brav da und dort mit, streichelt das Christkind, wo es sich darbietet. (Das goldene Haar vornehmlich.)  Doch ohne echte Emphatie. Aus Pflicht mehr. Es gehört so. Der Tannenbaum ist auch schon gekauft. Eine Krücke mit mehreren Spitzen, wie jedes Jahr, denn auch das ist Pflicht: Zu schön darf der Tannenbaum nicht sein. Er soll die Wirklichkeit abbilden, die Perfektion tagtäglich, an Weihnachten aber besonders, anstreben mag, doch  sie im Grunde niemals erreicht. Die stade Zeit fällt so stade nicht aus, wenn es in einem tobt. Und das Gefälle zwischen Innen und Außen macht einen eher über kurz denn über lang krank. Die Feiertage im Krankenbett, das sind diesmal  nicht ganz unvorstellbare Aussichten auf Erholung. Auf Zwangserholung; da der Körper nicht weiter als zur Schmerzgrenze will. Aber Erholung unter Zwang ist wahrscheinlich immer noch Erholung. Was sonst noch? Nicht viel. Leben in seiner Vielfalt findet woanders statt. Im Kino nebenan.

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