Wir, linksaußen als Kalb

Einen Geburtstag würdig und schon gar erinnerungswürdig zu begehen ist so leicht nicht. Nicht jeder hat sowieso den Antrieb und die Laune, schon klar; dann soll er/sie es auch lassen, auch gut. Doch wenn schon begehen, dann bitte krachend und scheppernd. So dass der Kater am Tag danach nicht auf allzu leisen Pfoten kommt. Dass der Kopfschmerz die Erinnerungswürdigkeit für die nachfolgende Generation festmacht. Wenn nicht gerade Freitanz oder geburtstagsadäquate Versteckspiele angesagt sind und man einen Platz auf der Eckbank am Holztisch zugewiesen bekommt, ist man allerdings einen Abend lang festgenietet und seinen Nachbarn also für Stunden ausgeliefert. Ein Glücksfall, wenn einer der Nachbarn was zu erzählen hat, das erzählenswert ist. Neulich schon. Neulich erzählte ein Geburtstagsfestnachbar von Patagonien. Von den Einöden im chilenischen Teil Patagoniens. Wie da ein hübsches Mädel, sein Ausdruck, ein Kalb schlachtet; und fachmännisch hernach zerlegt; und zwar nur, weil es das Kalb nicht auf den Pickup rauf kriegt, um es in dem weit, weit entfernten, dennoch nächstgelegenen Einödflecken verkaufen zu können. So in Kurzform & in stiller Bewunderung erzählerseits erzählt. Was konkludiert daraus? Dass man in Patagonien praktisch denkt. Dass jemand gleichzeitig hübsch und grausam und geschickt mit Messer in Hand  sein kann.  Dass Kälber und Pickups eine Konstellation bilden, die es zu vermeiden gilt. Dass ein Kalb nur bedingt ein Mensch ist; bedingt durch Lebensumstände, in denen auf einen Tierschutzvereine und Vegetarier einreden.  Konklusionen aus Geburtstagsfesten mitzunehmen ist des Bürgers oberste Pflicht. Die zweitoberste strenggenommen – nach dem Naseputzen. Konklusionen sind Webstoff für Erinnerungen. Könnte am 12. Spieltag Heribert Bruchhagen gesagt haben. (Selten gerät man an Namen, an Vor- und Familiennamen, die derlei aufeinander abgestimmt sind wie dieser „Wir, linksaußen als Kalb“ weiterlesen

Sons of Weißraumrambo

Nichts für ungut, wenn wir schon dabei sind und uns für die Ausfälle der vergangenen Woche entschuldigen wollen. Für gut aber dann auch nix: in dieser Woche allerdings. Eher eine durchmixte Angelegegenheit, falls es denn unbedingt – ausweichen gilt nicht –  um die Hippness von Sons of Kemet gehen soll. Britannies Hoffnung in Sachen Jazz. Das heißeste Ding derzeit wohl. Ein Vertrag bei Impulse!, dem Label von Coltrane. Zugegeben: Der Leader Shabaka Hutchings ein durch und durch sympathischer junger Mann. Gutaussehend und mit Zahnlücke, alles am Platz und auf Erfolg ausgerichtet also. Zwei Drummer, ein cooler Flegel an der Tuba – und eben Shabaka H. an Klarinette und Tenorsaxophon. Folglich jede Menge Rhythmus, d.h. Dynamik im Spiel. Wippen zu einer massiven Lautstärke war demnach mehr als angesagt. War Pflicht vielmehr. Taten auch viele im seit Wochen ausverkauften Klub am Mittwoch – die Körpermasse gegen die Soundwellen vom harten Stuhl aus werfen. Gleich darauf aber – zurückweichen. Man muss sich das nicht fragen, kann aber: War das auch wirklich Jazz? Jene Art Musik, die sich selbst beständig befragt, denkbare und undenkbare Möglichkeiten aufzeigt, bislang verschlossene Räume öffnet? Nein, das war selbstbewusstes, zwischendurch imposantes Nach-vorne-Dreschen. Ein gewisser Fluss immerhin darin; in dem konnte man sich für einen Bruchteil von Zehntelsekunden verlieren. Doch keine wirklichen Brüche sonst. Kaum Tempowechsel. Die Sons hätten eine gute Vorgruppe zu, sagen wir mal gewagterweise, den Foo Fighters abgegeben. Stadionrock – so ungefähr und Pi mal. Aber sympathisch „Sons of Weißraumrambo“ weiterlesen

Erlösung/Berlin/Jazzfest/Der Darm

Der Mensch lebt nicht von Brot allein. Er lebt auch von Brezeln. Von Dinkelbrezeln strengenommen. Wenn es ihm dreckig geht in der Magendarmgegend zumindest. Dort wohnte der Wurm schon kurz vor der Abreise aus und auch noch kurz nach der Rückkehr aus Berlin. Ein Wurm, der spie. Allerdings kein Feuer. Nun. Dies hier, dieser Blogversuch, wird abgesehen davon, dass er ab sofort  immer auf die Schnelle gezimmert wird, da das Grand Opening beim JAZZ PODIUM, also die erste Heftproduktion, immer näher rückt und Zeit ein noch rareres Gut wird, das hier wird also mitnichten ein Wurm-Spezial,  ein Berlin-Spezial aber vermutlich schon. Mal gucken. Berlin ist war für Orientierungslose, die was losmachen wollen, aber aus Eigenantrieb nix vermögen, weshalb sie viel Umtrieb um sich rum benötigen, nicht zuletzt um sich selbst am Leben zu wissen, das ungefähr war seit längerer Zeit, seit ca. Mitte der Neunziger, die Ansicht des unten Gezeichneten; wer Kreativität in sich trage, der brauche kein einziges Berlin nicht. Der kann überall. Vor gut 20 Jahren konnte man Berlin ein wenig für andere Dinge schätzen. Für den noch frischen Clash von Ost und West zum Beispiel.  Von Reibung kommt Energie, dachte man und war gespannt welche. Nicht viel kam. Es war statt dessen an zu vielen Berliner Ecken schlicht häßlich. Und zugig. Und wenn mal im Babylon ein guter Film lief oder der Castorf gerade einen Eklat vorfuhr  und man da zu sein hatte, aber gerade in An der Alten Försterei stecken geblieben war, dann galt es da  eine Entfernung zu überwinden unter deren Last man gut wahrnehmbar stöhnte. Und kein vernünftiger Kuchen in Sicht in Berlin jener Jahre. Und dann die Berliner mit deren unreinen Schnauzen auf die sie sich maßlos was einbilden. Und die Leute überhaupt, zwischen bieder und „Erlösung/Berlin/Jazzfest/Der Darm“ weiterlesen