Substanz muss her. Zu viel heiße Luft um uns. Zu viele Leute drumrum, die laufend erzählen, aber nichts von Dauer sagen. Wir brauchen aber am Karfreitag dringend den Trost von, eben: Substanz. Also: Keine Zeit verlieren, das Leben wird kürzer, wir brauchen sie jetzt und hier. Es gilt nämlich die wichtigen Fragen zu klären, das letztgültige Wiesoweshalbwarum dingfest zu machen. Kein Ort scheint geeigneter dafür als das Kaffeehaus. Weil: Der Kaffee, allemal so mittelprächtiger wie er in den Kaffeehäusern serviert wird, holt das Best of der Aggressionen aus dem gemeinen Menschen heraus, stellt ihn bloß und somit in voller Gestalt auf. Diese Ausage ungefähr trafen vor kurzem nordkoreanische Wissenschaftler aus der Provinz, das Nomen kein Omen?, Cha Bum-kun – in der südwestlichen Mongolei, wo sich die Steppe unmerklich weitet, exakt dort, bedeutet Cha Bum-kun, allerdings mit einem Apostroph mitten im kun: Brühe ohne Wert – in einer international vielbeachteten Studie; die Koreaner selbst: selbstverständlich keine Kaffeetrinker, sonst hätten sie ja keinen unverfälschten Blick auf ihr Untersuchungsobjekt. Kaffee, wenn auch eindeutig mit aggressiver Haltung unterlegt, verschaffe Durchsicht, Klarheit der Sinne, erläutere mitunter gar den Grund unserer Existenz, so die Wissenschaftler; der Haken: nur in circa den ersten zwanzig Sekunden nach der Einnahme. Die untersuchten Personen, 3600 an der Zahl und vorwiegend Deutsche sowie Österreicher, zeigten eine starke Konfrontation der Gehirnströme, die bislang nicht für möglich gehalten worden war, und zwar zwischen Hirnregionen, die normalerweise nichts miteinander zu tun haben. Die Hälfte dieser Personen „Das Sein: eine Melange“ weiterlesen
Der Tod ist da
Achim Bergmann ist gestorben. Anfang des Monats bereits, doch trauern kann man ja länger als bis vorgestern. Zur Beerdigung ist sogar Winfried Kretschmann erschienen, der Ministerpräsident und Freund des Verstorbenen, der Bergmann völlig angemessen der Querdenker-Kategorie zurechnete – und illusionslos sowie pointensicher hinzufügte: „Nicht wie heute. Heute ist einer schon Querdenker, wenn er überhaupt denkt.“ Dann sagte er noch, hübsch Theo W. Adorno auf den Kopf stellend: „Für Achim lagen im Falschen auch Momente des Richtigen.“ Im Nachruf seitens der Pressestelle des von Bergmann geleiteten Plattenlabels hieß es über Achim Bergmann wiederum: „Bayerischer Anarchist und das Herz des Trikont-Verlages“. Und das mag auch stimmen. Mag stimmen, oder nicht ganz. Denn vielleicht war Bergmann ein Anarchist, für mich aber nicht unbedingt. Weil: Seit wann sind Anarchisten für Ideale oder gar Utopien zu haben? Jetzt sollte ich nicht so tun, als hätte ich Achim Bergmann gut gekannt, aber er war für mich einer – in Zeiten der Biegsamkeit nach allen Seiten besonders auffällig – der vermutlich Letzten des Idealhabenfachs. Sozialisiert in den Endsechzigern, von Veränderungswillen in umfassender Hinsicht wohl getrieben, humane Relevanz stets vor Augen, mit großem Herzen für die niederen Ränge des Menschheitsgeschlechts versehen – wer will da derzeit oder überhaupt mithalten. Ich traf Achim Bergmann nur zwei Mal, die Begegnungen reichten aber aus, um Tiefenwirkung hervorzurufen. Endlich einer mit Rückgrat, dachte ich mir da unter anderem, endlich einer, der sich für eine umfassendere Sache als das eigene Wohlbefinden erhitzt. Ja, man wurde direkt neidisch. Er wollte in seinem Segment, in der Musik, etwas von bleibender Wirkung für die Gesellschaftsordnung anzetteln, am besten die Verhältnisse zur Gleichheit hin ändern. Die Verhältnisse grundlegend zu ändern, ein Blick um sich reicht da, gelang ihm nicht; im Kleinen wiederum wirkt Bergamann nach und wird es mit Sicherheit noch lange tut. Er hat „Der Tod ist da“ weiterlesen
Der Mordsmontag
Epik bereits zu Wochenbeginn, nun ja, wer es braucht… Der vergangene Montag geriet jedenfalls derlei panoramig, dass man zu meinen glaubte, er hätte zugleich gesellschafts- und persönlichkeitsrelevantes Format. Das ist ein wenig übertrieben natürlich. Die neue Regierung war aber immerhin fix, der Koalitionsvertrag, laut Spiegelchen Online, kurz nach 14 Uhr unterzeichnet, freilich: nach einer den Darm belastenden Mahlzeit aus Tütensuppe und Speckröllchen à la garcon extraordinaire avec Puffreis, die Grundlage für ein ordentliches Leben nach dem Wildwuchs seit September 17 endlich geschaffen; nachdem das Land ja in den letzten Monaten mit einer Reihe von Vollpfosten zu kollidieren drohte… Zur neuen Regierung hierzulande ist allerdings mittlerweile alles gesagt. Doch halt, vielleicht nicht ganz. Ist jemandem vielleicht aufgefallen, dass Olaf Scholz, u.a. Vizekanzler, auf dem linken Augen offenbar wenig sieht. Nicht dass er links blind wäre, das nicht, niemals nicht als Sozialdemochrist, doch kneift er jenes Auge auffällig auffällig. Ist er lediglich vize, weil er nur über die halbe Sehkraft verfügt; halbsoviel wertvoll wie die Merkel? Oder war das Auge bei ihm immer schon eingeschränkt einsatzfähig? Oder schaute Scholz nur bei den Tagesthemen am vergangenen Montag des halben Auges, absichtlich, weil er von der journalistisch hölzernen, ungelenkig drängenden Pinar Atalay interviewt wurde und sie wenig ernst nahm und lediglich, gelangweilt beinahe, sein Vollmondgesicht in die statische Kamera berufsmäßig hinhielt? Im Hintergrund da: das belastbare Holzmobiliar des Hamburger Senatorensitzungsaals – oder aber ein vergleichbares Ambiente; die Fischauktionshalle etwa. Dieses Scholzgesicht reichte an Aussagekraft nach all den zähen Verhandlungen auch völlig aus, weil es Ruhe für alle Zeiten verhieß. Scholz, sehr oberflächlich betrachtet: ein gutherziger Vollmonder in der Umlaufbahn des Politplaneten Linksvondings, „Der Mordsmontag“ weiterlesen
Das Dorf: verdammt
Feinden auszuweichen ist nicht leicht. In Baltimore offenbar sowieso nicht. Leichen pflastern die deformierten Straßen der Hafenstadt in Maryland jedenfalls; das zumindest versuchte uns die Fernsehserie The Wire beizubringen, deren Kurzbesprechung sich auf diesen Seiten bei den Top Ten befindet – nach, gelobt sei der Herr, ungefähr zehn Jahren seit der Erstausstrahlung. Doch auch hier schon, in diesem, ich zeige gerade darauf durchs mittelmäßig gereinigte Fenster, überaus verdammten Dorf, zieht man sich im Laufe der Zeit fast zwangsläufig, ist man nicht gerade ein äußerst christlicher/rückgratloser/bis zur Selbstaufweichung rücksichtsvoller Charakter, wenn nicht Feinde heran, so doch zumindest passable Gegner. Wie dann ihnen auf einer Gemeindeläche von 14 Quadratkilometern, wovon 3 vielleicht auf DAS DORF fallen, ausweichen? Wie beim Bäcker? Wie im Regionalzug in die Landeshauptstadt? Oder beim Fest der freiwilligen Feuerwehr? Unmöglich fast. Also müssen Taktiken her. Bei Feindsichtung tut man, als sähe man woanders hin; als müsse man an die losen Schnürsenkel partout jetzt ran; als sei man in ein Selbstgespräch verstrickt. Stimmt schon, man sucht die Konfrontation, allemal als Wohlstandsbürger, mit der Bequemlichkeit demnach per du, selten. Greift nicht zur Schrotflinte, und Ruhe in der Kartonage ist. Das semifeige Ausweichen geschieht bewußt, denn eine offene Konfrontation, das berichtet die ERFAHRUNG, reißt einen des Öfteren noch tiefer rein. Für Handgreiflichkeiten wird man schnell belangt, das Leben ist aber zu kurz für viel öffentlichen Ärger. Leider tut sich das Individdum mit der Impulsunterdrückung, die ja der Zivilisationsprozeß und dann die Gesellschaft von uns verlangt, nicht immer einen Gefallen. Es beginnt in einem tüchtig zu brodeln, wenn man die Person erblickt, die man so gar nicht anblicken mag, Unrecht und Weh kommen hoch, die Flinte bleibt am Wandhaken, das Brodeln aber hört einfach nicht tags und nicht nachts auf; d.h.: Man trägt den Ärger, der „Das Dorf: verdammt“ weiterlesen
Der Igor haut dem Andre eine rein. Aber sowas von.
Der Mensch kennt keine Schranken. Sein Limit ist einzig der Tod. So kann er zum Beispiel ungehindert, nur um beim Lieblingsthema Musik zu bleiben, einen Granatenwerfer mit Herbert Grönemeyer, Lieschen Müller mit Weißbrot oder André Rieu mit Igor Levit vergleichen. Die beiden Letztgenannten traten zufällig oder nicht am vergangenen Wochenende in München auf. Nun könnte man fragen: Was haben die beiden Herren denn schon gemein? Abgesehen davon, dass sie Musik beziehungsweise Musikfernverwandtes machen, auf den ersten Blick: gar nichts. Auf den zweiten Blick sieht das schon anders aus. Auf den zweiten Blick haben Rieu und Levit ganz und gar nichts miteinander gemein. Immerhin zeigen sich bei diesem Vergleich unverhohlen zwei denkbar disparate Lesarten dafür, was Musik im Wesen ausmacht. Sie ist ja wesentlich, Notation hin oder her, die Fassbarkeit von Instrument oder Stimmband her oder hin, unfassbar. Ihre Wirkung sowieso. Man schiebt die Musik zu gern in Gottesnähe, zu den Glaubensfragen hin, weil man als Mensch trotz Ohr und innerlicher Vibration ratlos ist. Eine als Blog getarnte musikwissenschaftlich angelegte Studie, stop, da fällt mir ein, der Free Jazz-Schlagzeuger Milford Graves, derzeit auf dem Cover der Musikzeitschrift WIRE, mißt seit Mitte der 1970er Herzfrequenzen und legt sie dem musikererzeugten Rhythmus nahe und meint, Musik sei dem menschlichen Organismus von vornherein implantiert, ist sowieso von der Heilkraft der Musik überzeugt, auf alle Fälle: eine solche Studie könnte da helfen. Doch dafür: kein Platz hier. Für Häme & böses Blut allerdings schon. So. Zum Gegenstand jetzt. Rieu beshowmante die optimal sterile Olympiahalle, Levit setzte sich ein paar Stunden „Der Igor haut dem Andre eine rein. Aber sowas von.“ weiterlesen