In Wien gibt es das noch. Dass ein junger Mensch in der Straßenbahn oder der U6 aufsteht, um einem älteren Menschen, der nicht mal gebrechlich ausschaut, Platz zu machen. Das sind Manieren von vorhnhinein, als Österreich bzw. Kaiserthum Oesterreich weltweit noch was galt – ca. 1824, als Beethoven, schon mit Hörröhre, den Puls der gegen Taubheit immunen Landeshauptstadt bestimmte. Im Augenblick ist es schwieriger mit Österreich, trotz vorübergehender EU-Regentschaft und des Gipfels in Salzburg. Dort hat man dem Mozarteum, wo sonst Musik im Windschatten Beethovens Trumpf ist und wo sich die EU-Wasserköpfe trafen, wo aber auch die Medien untergebracht waren, eine nagelneue WLAN-Anlage für 600000 Euro oder was spendiert, da die alte nicht up to date und dem EU-Tross nicht zuzumuten war. Die Innenstadt hat man zudem für Unsummen abgeriegelt, die ansässige Bevölkerung fast schon evakuliert etc. Das war zweifellos der Gipfel. Wie auch das Verhalten des österreichischen Innenministers, dem die taz gestern sowie der Falter ab Donnerstag – Falter: mehr als nur ein wöchentliches Stadtmagazin, vielmehr ein kampflustiges Streitblatt mit äußerst fähigen Schreibern in den Reihen – Seiten gewidmet haben. Herbert Kickl von der FPÖ nämlich, so der fast lautmalerische Name des Ministers, hat ein internes Mail verschicken lassen, das den Innenministeriuminsassen vorgibt, kritische Medien mehr oder minder nicht zu bedienen. Z.B. eben den Falter und die Tageszeitung Standard. Falter bildete daraufhin ein Foto eines Pferdes ab und schrieb darunter: „Gutmütig und widerspruchslos: das Pferd, dein idealer Kommunikationspartner“; daneben dann ein leicht unvorteilhaftes Bild des Innenministers, in der BU – in Zeitungskreisen: Bildunterschrift – als „Millimeternich“ bezeichnet; ein wagemutiger Hinweis auf Engelbert Dollfuß, dem Austrofaschisten. Wenn man bedenkt, dass Österreich noch einen Jungspund als Bundeskanzler im Hintergrund hat und einen Orban als Nachbarn…. Aber Wien. Wien ist anders. Noch mit einem SPÖ-Bürgermeister & Landeshauptmann, weniger lautmalerisch, weil Michael Ludwig mit Namen, versehen, der allerdings offenbar der brandneuen, allseits akzeptierten rechtschaffen lautmalernden SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner etwas mißtrauisch gegenüber steht. Man denkt sich Österreich von Deutschland aus als klein. Doch Spannungen hat das Land derzeit für 3. Wien aber; konkreter & entpolitisiert. Wien verfügt seit Prä-Beethoven schon über eine Großzügigkeit im Städtebau, die so leicht woanders nicht zu haben ist. Aber nicht nur im Städtebau. 60 Prozent des Wohnraums befindet sich im städtischer Hand, weshalb viele Quadratmeter bezahlbar bleiben. Ich hatte in der vergangenen Woche die Gelegenheit in einem prächtigen Gemeinddebau zu Besuch zu sein, dort sogar über eine nicht unheikle Leiter auf die Dachterrasse – selbstredend: großzügig – zu steigen und einen Rundumblick über diese so tolle wie, vom touristischen Pointofview gesehen, wohl widerborstige Stadt zu erleben. Komplett, von da- bis dorthin. Sogar bis zum Wiener Wald konnte man von der Terrasse aus schauen. Sie sah aus, als ruhe sie in sich. Oder warte, von Jahrhunderten an Kultur gestählt, seelenruhig auf die nächste Explosion. Sehr vermutlich: von rechts. Jedenfalls: Wenn man in einer bezhalbaren Wohnung unterkommt, in der mal Franz Schubert gelebt hat, dann schläft man viel zu kurz und eher schlecht. Nicht wegen Schubert direkt, der als Geist in der tragenden Wand anwesend sein mag, der aber ja in nahezu allen Belangen, vor allem aber als Musiker, ein Pfundskerl war, vielmehr weil man noch randvoll davon ist, was Martial Solal kurz davor in dem Klub Porgy & Bess veranstaltet hat. Einen Pianisten wie ihn, er ist 91 Jahre alt, wird es so schnell nicht wieder geben. Einen, er allen Jazz intus hat, aber auch den Mut, das Erbe auseinander zu nehmen únd in so unterhaltsamer wie unkopfloser Manier schlüssig zusammenzusetzen. So einen, der es gar nicht nötig hat, bietet man gern selbst mit 52 einen Platz in der Straßenbahn an. In der U6 sowieso.