Um die Welt steht es schlecht, das wissen wir seit vorgestern. Aber dass es um sie derlei schlecht steht, das wußte man bislang nicht: Ein Iggy Pop wirbt für die Deutsche Bundesbahn. Mit seinem Song „The Passenger“ in einem Werbespot, und mit seinem Gesicht in der in den Fernzügen ausliegenden Zeitschrift „mobil“. Pop, eigentlich James Osterberg, ist das Gesicht des Punkrock. Ein Veteran, der auf der Bühne auch mal ohne groß zu überlegen ins Extrem ging. Ein Unangepaßter. Keiner, der sich der Masse andient. Nun aber, wie wir aus dem durch „mobil“ geführen Interview erfahren, lebt er, über 70 mittlerweile, gesund und schont seine Knochen gehörig . Pop ist sicher kein Schwachkopf. Er denkt nach, bevor er was sagt – seine Worte zur Gegenwart und Berlin sind gut konstruiert – und hat seinen Freund David Bowie, der seinerzeit dem Exzess nicht abgeneigt war, immerhin deutlich überlebt. Dennoch ist es hoch unerfreulich, Idealen beim Verscherbeln ohne Not zuzusehen. Eine durch und durch traurige Angelegenheit, die da besagt: Alles/Jeder/Jede ist offenbar käuflich. Dass die Welt zugrunde geht, das erfährt derjenige/diejenige endgültig, die/der den Zug am Kopfbahnhof in der schwäbischen Hauptstadt verläßt und sich die Fortschritte bei Stuttgart 21 anschaut. Das kann man ganz leicht, denn dafür hat die Deutsche Bahn an beiden Seiten der dicht umwickelten Baustelle Gucklöcher angebracht, so dass man dem Fortschritt sozusagen beim Werden zugucken kann. Durch eins der Gucklöcher sieht man dann einen Krater oder Grube, die bis zum Mitteplunkt der Erde (Jules Verne) zu führen scheint. Dorthin also, wo wer wohnt? Der Satan leibhaftig? Niemanden sollte es wundern, wenn sich die Erde eines Tages, allein wegen menschlicher Anmaßung, derlei übergibt, dass kein Stein auf dem anderen et cetera. Bis dahin aber, die paar Minuten bis dahin: JAZZ PODIUM. Ein Magazin, das Anja und ich ab 1.1. 2019 vom vertrauenswürdigen, allzeit hilfsbereiten, wie aus der Zeit gefallenen, weil warmherzigen und jederzeit zugänglichen Gesellschafterpaar Gudrun Endress und Frank Zimmerle übernehmen. Das ist nun fix. Wir sind ohne Ausweg ab jetzt. Das Heft wird monatlich erscheinen müssen. Wie freuen uns mindestens so darauf wie wir Respekt davor haben. Vor der Menge Arbeit. Vor Informationsflut und dem finanziellen Druck und der weit strikteren Organisation als bislang, die für die anständige Führung einer GmbH zwangsläufig notwendig sein wird. Davor Respekt im Vorhinein auch, Privat- und Arbeitsleben auseinander halten zu können. Einen Teil des Drucks kann man uns abnehmen, indem der eine oder die andere für sich oder Bekannte bzw. Unbekannte ein Abonnement des JAZZ PODIUM abschließt. Danke schon mal hierfür. Es wird ein gewandeltes Leben sein. Vergnüglich auf eine andere, bislang unbekannte Art, wenn es gut läuft . Bloß eine elende Ackerei ohne sichtbaren Sinn darf es nicht werden. Das wäre der Tod vor der Zeit noch. Wir sind manchmal euphorisch, zumeist auch zuversichtlich. Wir werden das Blatt wenden – Blatt oder Heft oder Magazin, das sind Synonyme. Wenden es vorsichtig, weil es viele gute Seiten bereits hat. Eine Do it yourself-Anmutung, einen langen Atem oder sogar den Mut beim Erzählen. Ein paar Unzulänglichkeiten hat das Blatt auch, doch dies hier ist nicht das Forum dafür, Schwächen aufzuzählen. Jazz ist ein lebendiger Organismus. Eine nach vielen Seiten sich öffnende, neugierige Existenzform. Eine Möglichkeit ebenso, sich in abstrakter Weise komplett zu offenbaren. Diese Offenheit wird uns zweifelsohne in Atem halten.
Postscriptum
Der Grafikdesigner Kurt Weidemann hat für die Deutsche Bahn AG das Logo – die eingekästelten Buchstaben DB in Rot vor weißem Hintergrund – konzipiert und viel Geld dafür kassiert. Davor schon hat Weidemann fürs JAZZ PODIUM den Schriftzug entworfen. Er wollte kein Geld dafür. Und hat auch keines bekommen.