Der Süden. Vom Süden aus scharf angeguckt.

Es ist schon auffällig, wie viele Kräfte im Servicebereich in unseren Gegenden nicht Muttersprachler sind. Warum wohl so viele mit deutlich unblasserem Teint als wir und nicht ungebrochenem Deutsch gerade im Gastgewerbe ihren Platz finden? Hat sich jemand schon mal einen Gedanken darüber gemacht? Nein, gar nicht in erster Linie, weil gerade auf diesem Sektor Arbeitskräfte fehlen und zugleich die Entlohnung so niedrig ist, dass sich ein Vatersprachler viel zu schade dafür ist. Nein. Vielmehr, dies eine vorläufige These, weil die Leute, die zu uns zumeist aus dem Süden und dem südlichsten Süden kommen,  Gastfreundschaft im Blut haben. Sie sind quasi von ihrer Natur aus und also grundsätzlich dem Menschen gegenüber freundlich gestimmt. Oder tun überzeugend als ob, was aber in der Außenwirkung aufs Gleiche hianus kommt. So fällt es ihnen auf jeden Fall nicht schwer,  Wünsche zu erfüllen. Nicht nur in Spelunken  sind diese Menschen tätig, auch in traditionellen Betrieben. In Wien zum Beispiel bei den Kaffeehäuser, die ja ein wesentlicher Ausdruck  der urösterreichischen, wenn nicht gar kaiserlich-königlichen Lebensweise (Kürzel: k.-k. L.) sind.  Dort sind mittlerweile viele Ober mit fremdländischen Wurzeln unterwegs, die jene barsche Tonart der alteingesessenen Kaffeehauskellnerriege abzumildern im Stande sind.  Das tut Not. Auch wenn gleichzeitig ein Vergangenheitseinsprengsel (der gewohnt-barsche Umgang) zugrunde geht. Jetzt könnte ich auf die Idee kommen und dem Vorurteil folgen, dass die Südländer nicht zuverlässig sind. Nur, weil mir letztens die Zwetschgenknödel, bestellt vor 40 Minuten und auch bezahlt, nicht zu dem Tisch mit dem Polstergehege, wo ich mich platziert habe, geliefert wurden. Man hat mich schlicht vegessen. MICH. Der Kellner ausländischer Prägung genaugenommen hat mich vergessen. Die Faschierten Laiberl plus Röstkartoffeln plus Salat gab es, die Knödel aber auch nach einer Ewigkeit von Wartezeit nicht.  Bei Prückel war es, um sich vollends zu offenbaren; exakt dort, wo mich der Alexander, der in Wien aufgewachsen ist, hingeschickt hat. Das Kaffehaus Prückel ist an der Ecke Ring und Wollzeile ansässig und  im sog. 50er-Jahre-Look ausgestattet und jederzeit eine Empfehlung, allein weil es einen Mix von Leuten anbietet, die einträchtig miteinander speisen und trinken, die sonst aber nie und nimmer aufeinander treffen.  Sie sitzen ruhigen Bluts beieinander, die Pudelbesitzerin und der Magister für Kanalisationssanierung, der Bub im Sneaker und die Penthesilea – und tun sich nix. Trinken bloß ihren Lebensfrust bzw. die Lebenslust nieder. Das geht nur im Kaffeehaus. Diese Nivellierung der Standesgrade. Nur kurz; einen Mokka, einen Teller Krautfleckerln lang. Aber ja – der Österreicher oder auch nur der Wiener, das kann ich mangels Österreichkenntnis nicht so genau ausmachen, der hat: Lebensart. Fällt sofort auf. Der drückt sich den Bio-Weißburgunder oder ein Bierstangerl schon gegen 12.30 Uhr rein. Ist dann womöglich zu bürokratischen Handlungen nicht mehr imstande – kaiserlich- königlich: berühmt/gefürchtet für Bürokratieapparat –, pfeift aber offenbar darauf; vorzugsweise die Melodie aus „Kottan ermittelt“ (19 Folgen, zwischen 1976 und 1983 gedreht) oder dem Kinohit der derzeit so verehrten Achtzigerjahre, aus „Müllers Büro“ (1986; FSK 16). Der Mittagstisch im Kaffeehaus, zwischen acht und zwölf Euro, ist mehr als anständig angerichtet, ach was, weit über dem Schnitt hierzulande, ausreichend auch in der Portionierung; und schmeckt auch wie vom besseren Selbst gemacht.  Man kann den hart arbeitendenen Wiener Bürger, einen Bürger dieser schönen Stadt, die vor kurzem vom Beratungsunternehmen Mercer, wer auch immer das sein mag, egal auch, ob Herr Mercer nun einen Schlips im Schlaf trägt oder nicht, zum neunten Mal in Folge zur lebenswertesten Stadt dieses Universums gekürt wurde, ausschließlich und vorbehaltlos beneiden. Trotz allem Pessimismus, den man den schon mal skrupellos vor sich her grantelnden Wienern unterstellt, scheint in diesen harten Zeiten, wo ein Dreißigjähriger – in der Politik wegen Minderjährigkeit nicht ganz für voll genommen; Kaiser Franz Josef IVX regierte ehemals noch mit 108  – das einst ruhmreiche Land leiten darf,  die Lebenslust auf Schritt & Tritt durch. Und wie wir wissen, ist die Lebenslust die NUMERO UNO unter den Erfindungen. Bitte & gern  verwechseln in diesem süditalienischen Sommer, in dem die Hirnkapazität flott abnimmt, mit: IL PERICOLO NUMERO UNO. Was die Gefahr Nummer 1 ist? Claudio Villa beantwortet es standesgemäß für die Fünfzigerjahre à la Prückel des vorigen Jahrhunderts: LA DONNA. – Ein feines Liedchen zum Mitträllern für Gut und Böse dennoch.

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