Habe die Ehre. Oder keine?

Ein Ehrenamt zahlt sich kaum aus. So selten in Geld wie in bleibendem Ruhm.  Meistens ist ein Ehrenamt eine undankbare Aufgabe, die Gräben zieht, Menschen voneinander spaltet. Kein Dank – nirgends. Das Thema taucht an dieser Stelle gerade jetzt auf, weil mich die Frage eines Freundes beschäftigt, der im Vorstand einer Elternaintiative steckt. Jener Freund fragte sich – passender oder unpassender Weise: nach einem Basketballspiel der Bayernliga Süd – selber, was denn wohl seine Motivation fürs Bekleiden eines derart undankbaren Amtes sei.  War es die Machtpostion, wenn auch im arg überschaubaren, da deutlich dörflichen Rahmen? War es eine Abart von Ruhm, die einem irgendwie doch in der allzeit durchsichtigen Dorfstruktur fast zwangsläufig zufällt? Man ist ja schließlich wer und im Dorf seiner Wahl erst angekommen, wenn man sich engagiert zeigt, den traditionellen Dörflichkeitsentwürfen zugeneigt, bereit  – Jesu Kreuz stets in Sichtweite – zu leiden. Während er sich, im tiefsten Bayern sinnigerweise über eine – halbvolle?/halbleere? – Flasche Jever gebeugt, noch fragte, wußte ich es schon. (Ich bin gewöhnlich keineswegs schneller von Begriff als er, diesmal hatte ich aber einen minimalen Abstand zum Geschehen, den Blick womöglich freier…) Zumindest, was sein Beispiel betrift, wusste ich es. Also. Er ist ein extrem hilfsbereiter, sozial orientierter Mensch, der der Gesellschaft, ja, Gutes zuführen möchte. Er kennt negative Energien sehr wohl, ist ein Lebewesen unter Lebewesen, doch räumt er ihnen im zwischenmenschlichen Umgang nicht viel Raum ein. Das zum einen; und vor allem das. Dann: Selbst ein Kreativer,  ist er froh, wenn Menschen kreativ werden, eigenes Zeug in „Habe die Ehre. Oder keine?“ weiterlesen

Ein Bericht für die Akademie

Wenn eine gepflegte Dame fortgeschrittenen Alters einem ohne Vorwarnung zuflüstert: „Er hatte ja so viele Weiber“; oder aber: „Das Mittelalter war so schrecklich“, dann mag man erst ordentlich schlucken – und kurz darauf leicht anzweifeln, hier richtig zu sein. Unter Cineasten. Im Club der Dickbrettbohrer.
Das war es allerdings schon mit den Zweifeln. Für nahezu zwei ganze Tage Klausur auf überschaubarem Raum, mit enggesteckten Vorträgen, Filmen und Diskussionen, eine nicht allzu üble Bilanz. Der Gegenstand war ungefähr so klar umrissen wie unfassbar. Ingmar Bergman. Dessen 100. Geburtstag in diesem Jahr jeder feiern darf, dem danach ist. Zu einer Tiefeneinsicht in das Werk sowie die Person hat auf alle Fälle die Evangelische Akademie Tutzing in Form einer Tagung geladen. Von 17 Uhr am Freitag bis ungefähr 14 Uhr am Sonntag, also das erste Februarwochenende lang. Das Programm war dicht, die Pausen knapp bemessen, so dass man kaum die Umgegend – Starnberger See, umfassende Parkanlage mit fremdländischem Baumbestand – sowie das von der nicht allzu hippen Schwedenküche angeregte, dennoch äußerst wohlschmeckendes Bio-Essen adäquat würdigen, kaum ein Oh! noch ein Ah! erübrigen konnte. Dass Bergman für die Ewigkeit gemacht ist, das galt es unausgesprochen zu beweisen. Deshalb freute es Judith Stumptner, die für diese – mit „Das Theater als Ehefrau, der Film als Geliebte“ betitelte – Veranstaltung verantwortliche Studienleiterin der Akademie, unter den 62 Gästen nicht nur Bergman-Follower gesichtet zu haben, die etwa zu dessen Kampfgebiet, der Insel Farö, gepilgert sind, sondern auch ein paar junge Personen ohne jede Bergman-Erfahrung – derlei verschiedene Gästestruktur ergab zumindest eine kurze Umfrage anfangs. Noch einmal aber zum Baumbestand im Akademiepark. Als Sinnbild für Bergmans Schaffen hätte sich die in alle vierzehn Himmelsrichtungen strebende kaukasische Flügelnuss angeboten, unter der man sicher den kompletten Wurzelirrsinn dieser Welt vermuten darf und die sich wenige Schritte vom doch recht behaglichen Auditorium breitmacht. Stattdessen aber bot Angelika Mrozek-Abraham, die Initiatorin der Tagung, gleich zu Beginn das Bild des Rhizoms an; eines Sprossachsensystems, das den unwiderlegbaren Vorteil hat, genauso gut aus „Ein Bericht für die Akademie“ weiterlesen

Let’s play für B.

Bevor das letztgültige Wort zum alten Schweden (Teil 3 mittlerweile), oder, wie Ryan Gosling garantiert in seiner leicht schläfrigen Art sagen würde: the old Elk, von dieser Kanzel aus in die weite Welt rausposaunt wird– der Blog steht noch aus; verzögert sich –, eine Zwischenlösung, die auch bestimmt eine ganze Lösung hätte sein können, dies aber, das habe ich bereits erwähnt, nicht ist. Eine Playlist, die ich als DJ für das Fest der alten Dame aus Tirol (50!!!; ein hartes Alter – sofern mich meine Erinnerung nicht täuscht; wo sich die Spreu vom Getreide bzw. alten Maissorten auf überaus häßliche Weise trennt usw.), von der die Rede im Blog zuvor war, erstellt habe und deren Stücke ich bei der denkwürdigen Gelegenheit vor nahezu einer Woche partiell auch ungefähr 50 Gästen serviert habe. Die Stücke kamen gut an – und wiederum, beim genauen Hinsehen, wohl mäßig gut. Jedenfalls habe ich trotz tatkräftiger Hilfe von Walter – vielen Dank an dieser Stelle gerade an Dich – den Saal nicht zum sog. Kochen gebracht. Zum Köcheln schon, nicht aber zum großen K. Der eine und auch der andere hat gezappelt, stimmt schon; in meiner Funktion als halber Halbgott muß mir da ein halbierter Erfolg vermutlich reichen.  Beim nächsten Mal wird alles anders. Oder alles gleich. Läuft wahrscheinlich im Prinzip aufs Gleiche hinaus. Genug aber des gediegen schwermütigen Denkens. Nun also die Playlist – so nennt man es vermutlich fachmännisch in jenen Kreisen, die ich weekends, wenn meine Frau mal nicht aufpaßt und die Nacht dunkel genug ist, aufsuche, um mich in der Großstadt mit Underground zu füttern – gut und aus jetzt: eine Playlist, die einzig zum Tanzen anmieren sollte und nicht chronologisch abläuft und jeden echten DJ/jede echte DJane vor den Kopf, egal ob nun mit  Schirm- oder Pudelmütze auf Haupthaar, ordentlich stoßen dürfte. – Das täte mir auf jeden Fall gefallen.

Eddie Cochran: Let’s Get Together
Santogold: You’ll Find a Way
Robert Wyatt: Heaps of Sheeps
Kult: Maria ma syna
„Let’s play für B.“ weiterlesen

Der Gott vom Dancefloor

Die Erschaffung der Welt ist immer noch ein Enigma (griechisch: αἴνιγμα). Und damit zugleich unser – des Menschen – Werden. Woher kommen wir? Vom Orang? Oder doch vom Utan? Sind wir vom anderen Stern gefallen? Oder aus magerer Tonerde gefertigt? Ein Enigma. – Nicht für alle aber. Den Gläubigen, der sich an eine bestimmte, an diese und keine andere Erlöserfigur klammert, wird entsetzt haben, was die Mitglieder der britischen Popband Faithless 2007 in einem ziemlich populären Song behauptet haben; nämlich: GOD IS A DJ. Im Songtext heißt es: This is my church/This is where I heal my hurts /It’s in natural grace/Or watching young life shape. Der Dancefloor als Kirche, der Discjockey als Heilsbringer, das ist mal eine verhältnismäßig gewagte Behauptung. Doch bei näherem Hinsehen: Bei näherem Hinsehen ist diese Art der sloganartig hingepfefferten, gut memorierbaren Behauptung Grundlage jeder vernüftigen (sic!) Religion; oder nicht? Wie auch immer. Für den Augenblick: herzlich egal. Wer sich jedenfalls an die eigenen Teenagertage erinnert, sofern er mit Rock oder auch nur mit Roll aufgewachen ist, bzw. Teenager heute beobachtet, weiß, welche Rolle Musik bei der Menschwerdung spielen kann. Eine entscheidende.  Musik aktiviert das verschüttete Impulsleben. Nicht nur den Orang, auch den Utan. Macht elastisch. Öffnet und weitet. Beim Tanz, sofern man sich selbst für paar „Der Gott vom Dancefloor“ weiterlesen