2018: der hundertste Geburtstag von Ingmar Bergman. Da wird auf allen Kanälen im Laufe des Jahres profund tiefen- sowie mit Sicherheit auch flachpsychologisch gefeiert werden. Mit den Anfang macht vom 2. bis zum 4. Februar eine Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing, die sich etwas uncatchy, dafür bildungsnahe „Das Theater als Ehefrau, der Film als Geliebte“ nennt und von Judith Stumptner und Angelika Mrozek-Abraham konzipiert wurde. Diese Veranstaltung erwähne ich nicht ohne Eigennutz: Man hat mich nach Tutzing am Starnberger See eingeladen, ich soll teinehmen und zuhören und zuschauen und hernach auf der Homepage der Akademie einen Blog hinlegen; nach Vorträgen von beispielsweise Katarina Yngborn oder Stephan Michael Schröder, Filmvorführungen, Gesprächen in den Salons den Bergman endgültig und für alle Zeiten knacken. Das jedenfalls mein Anspruch. Es sind noch zwei Wochen bis dahin, die Ungeduld zerreißt mich schier, der Wagemut steigt gerade kolossal, so dass ich es jetzt schon angehen will. In ungeordneten Stichpunkten vorerst. Ingmar Bergman: der alte, nun, Schwede. Schweden = Skandinavien. D.h.: Mit viel Ratio und emotionaler Hemmladung und Luther und vermutlich einem Knäckebrot ohne Butter im Gepäck in die Welt der Movies, die Sodom = Hollywood bestimmt. Ein Theaterregisseur, das war Bergman in erster Linie. All seine wichtigen Filme sind ja Kammerspiele. Er ist folgerichtig extrem von guten Schauspielern abhängig. Die hatte er dann auch etwa mit den Blondinen Liv Ullmann (rotblond) und Ingrid Thulin (blond genug) sowie Max von Sydow (schmutzig blond = ganzer Mann). Bergman forderte von ihnen allen ungefähr alles, besonders aber eins: die totale Entäußerung. Um diese tollen Schauspieler adäquat zu erfassen, deren hinterletzte Regung auf Zelluloid zu bannen, brauchte Bergman einen gleichwertigen – ihm sowie den Schauspielern gleichwertigen – Kameramann. Den fand er in Sven Nykvist, der für ihn Filme wie „Wie in einem Spiegel“, „Persona“, „Szenen einer Ehe“ fotografierte. Bergman war eher kein Regisseur der Totalen. Er war mehr auf Nahaufnahmen aus. Nahe Gesichter gibt es in seinem Werk laufend. Zustände, das war wahrscheinlich sein Hauptthema. Menschliche Zustände, die einen im Verlauf des Leben so ereilen, sofern man ein Hirn zum Denken besitzt. Die sich in einen reinfressen. Wo man nicht mehr ein oder aus weiß. Denen man auf alle Fälle ums Verrecken nicht entkommt. Sein Protagonist war nur vordergründig von Sydow, viel mehr war es DIE PSYCHE – mit ihrer unergründlichen Tiefe, die Bergman trotz Aussichtslosigkeit zu ergründen unternahm. Seine Figuren leiden zuverlässig. Oft am Unsagbaren, Unbenannten, öfter schlicht an der Existenz, für die sie auf die Schnelle keinen Sinn erübrigen können. Niemals könnten sie sich sagen: So ist das nun mal und gut. Leben wir den Tag und fragen wir nicht groß nach. Seine Figuren zeigen kaum Eigenleben, wirken bisweilen wie ferngesteuert, sagen statische Sätze aus dem Drehbuch auf. Sie sind Marionetten, das Leben eine Theaterbühne bloß. Entfremdung – ebenfalls ein Thema des mit mittlerweile 100 sicher zu Recht sogenannten alten Schweden. Eine Theaterszene kommt bei Bergman in quasi jedem Film vor. Oder der Zirkus als Sinnbild fürs Leben. Oder gleich beides. Schlichte Gemüter tauchen bei Bergman höchstens am Rande auf, die sind kein Gegenstand näherer Betrachtung, weil: zu schlicht für Analysen. Er setzte liebend gern oder auch aus einem Zwang heraus den düsteren Gedanken äußerst einprägsam in Szene. Lieferte quasi ohne Unterlass Stoff für Grübler. Starke Bilder findet man in jedem seiner Filme, denn Bergman weiß um die Macht des Bildes. „Das Schweigen“ z.B. ist mit sein bekanntester Film. Weil er schon 1963 und in Schwarzweiß einige Tabus bricht, und auch noch eine Parabel ist, wo alles und noch weit mehr hienein gepackt werden darf. Die zwei Frauen dort leiden größtenteils schweigend, während der mitreisende Junge – auch so ein Leitmotiv des Hundertjährigen: Kindheit – auf eigene Faust Erfahrungen akkumuliert und sich mit Hilfe eines Spielzeugcolts durchs Leben freizuschießen sucht. Erst die Nahaufnahmen von Nykvist machen den Film zeitlos. Es ist ein, wie so oft bei Bergman, durchinszenierter Film. Sehr bewusst. Wir – die Hohlen abseits – meinen aber zu wissen: Das Bewußtsein ist ein trickreicher Geselle.
bergman´s filme sind ein jahrzehnte andauernder versuch,
seine labyrinthischen depressionen in religiösen bildern zu exorzieren,
so wie hitchcock seinen sexuellen hirnfrost mit fortwährenden
variationen, wie frauen zu quälen sein, zuende dachte.
kein heiterer künstler.
doch mag bergman ein geheimes band zu antonioni gespürt
haben, ich frage mich bis heute, wie die beiden das synchronisierten, am selben tag ! die koffer zu packen …….
(30.juli 2007)
Hej, cool, dass Du dabei sein kannst! Bin gespannt, wie sich die „Bergmanorama“, wie Jean-Luc Godard sagte, am kommenden Wochendende in Tutzing entwickelt. Der Impetus der Tagung ist schon mal nicht übel: http://www.ingmarbergman.se/evenemang/bergmanfestival-i-tutzing
Aber in der Tat: nix für Feige Kinogeher. In Zeiten des Revivals der Vinylplatte und der analogen Photographie passt es perfekt, in der Einsamkeit des Filmpublikums – im Gegensatz zum Luxus, den Film von der Scheibe zu betrachten – Bergman zu erleben. Mache mich auf dem Weg, zumal das „Licht im Winter“ am Starnberger See auch phantastisch sein kann!