Habe die Ehre. Oder keine?

Ein Ehrenamt zahlt sich kaum aus. So selten in Geld wie in bleibendem Ruhm.  Meistens ist ein Ehrenamt eine undankbare Aufgabe, die Gräben zieht, Menschen voneinander spaltet. Kein Dank – nirgends. Das Thema taucht an dieser Stelle gerade jetzt auf, weil mich die Frage eines Freundes beschäftigt, der im Vorstand einer Elternaintiative steckt. Jener Freund fragte sich – passender oder unpassender Weise: nach einem Basketballspiel der Bayernliga Süd – selber, was denn wohl seine Motivation fürs Bekleiden eines derart undankbaren Amtes sei.  War es die Machtpostion, wenn auch im arg überschaubaren, da deutlich dörflichen Rahmen? War es eine Abart von Ruhm, die einem irgendwie doch in der allzeit durchsichtigen Dorfstruktur fast zwangsläufig zufällt? Man ist ja schließlich wer und im Dorf seiner Wahl erst angekommen, wenn man sich engagiert zeigt, den traditionellen Dörflichkeitsentwürfen zugeneigt, bereit  – Jesu Kreuz stets in Sichtweite – zu leiden. Während er sich, im tiefsten Bayern sinnigerweise über eine – halbvolle?/halbleere? – Flasche Jever gebeugt, noch fragte, wußte ich es schon. (Ich bin gewöhnlich keineswegs schneller von Begriff als er, diesmal hatte ich aber einen minimalen Abstand zum Geschehen, den Blick womöglich freier…) Zumindest, was sein Beispiel betrift, wusste ich es. Also. Er ist ein extrem hilfsbereiter, sozial orientierter Mensch, der der Gesellschaft, ja, Gutes zuführen möchte. Er kennt negative Energien sehr wohl, ist ein Lebewesen unter Lebewesen, doch räumt er ihnen im zwischenmenschlichen Umgang nicht viel Raum ein. Das zum einen; und vor allem das. Dann: Selbst ein Kreativer,  ist er froh, wenn Menschen kreativ werden, eigenes Zeug in Eigenintiative entwickeln.  Fern von etablierten Institutionen, ohne den Staat und dessen Ämter groß einzubinden bzw. so wenig wie möglich.  Ein simples Perpetuum mobile kommt da nach und nach in Gang. Wenn eine Initiative gegriffen hat, man nach wie vor von ihr überzeugt ist, verteidigt man sie gegen jede Unbill. Gibt nicht bei jedem Gegenwind auf, verlängert sein Engagement einmal – und noch einmal; und einmal mehr. Ein Sendungsbewußtsein wird in des Freundes Fall auch eine Rolle gespielt haben; spielt immer in solchen Angelegenheiten. Allerdings diesmal ein Missionierungsgedanke ohne Gott im Nacken, bar aller Penetranz und von Zwängen frei. Der utopische Gedanke, dass der Mensch besser werden kann. Mehr noch, und gleichzeitig tiefer noch in die Utopie: Dass der Mensch des Mitmenschen Freund ist. All das zusammen genommen ist nicht leicht zu ertragen. Besonders, wenn man so ganz anders tickt; wenn die Vorstellungskraft für eine lange Kette aus lauter guten Taten nicht reicht. Wenn man etwa auf dem Rückweg vom Kirchgang, knapp hinter dem Weihwasserbecken,  in der weitläufigen Hosentasche sein Schnitzmesser geübt wetzt. Nächstentags dem Nächsten nicht die Griebe auf der Chiasemmel gönnt. Wenn man Utopien nie im Leben nachhängt. Deutschland ist berühmt für seine Ehrenämter. Wahrscheinlich – Statistiken habe ich für dieses Mal wider Erwarten nicht befragt, keine Zeit ihr lieben Leute, bin in Eile, mit einer Hand am Lenkrad; heute sowas von gar keine Zeit, aber echt – gibt es weltweit kein Land, das bei Ehre und Amt mithalten kann. Denn gewöhnlich verfährt Deutschland ja in allen Dingen radikal; macht etwas, wenn es es schon macht, dann richtig und umfassend, so dass kein Stein auf dem anderen … Ungefähr derart. Jedenfalls. Wenn sich in hiesigen Umgebungen ein Besuch zeigt, allemal aus dem europäischen Osten, staunt man verlässlich über das Maß des Engagements hierzulande. Bewundert es. In etwa so wie man einen frischlackierten Benz 280 SE 3.5 Coupe bewundert. Wenn man unausgelastet ist, vom Überlebenskampf nichts ahnt, genug Geld in den Taschen hat, viel Freizeit auch noch, mit der man nicht unbedingt was anzufangen weiß, dann wird es gern ehrenamtlich, erkläre ich dann im Unfairmodus, weil: hauptamtlich misantrophisch.  Die Misantrophie hat seinen guten Grund, denn die Erfahrung sagt laut, dass genug Menschen  alleine um sich zu erhöhen ins Ehrenamt drängen. Um sich über die Leute um sie rum zu stellen. Um wenigstens ein wenig Macht Zeit des Lebens zu erwischen. Um Kumpels und Kumpelinnen zu bedienen. Um eine sadistische Ader vollends zu offenbaren.  Motivationen gibt es genug.  Gewöhnliche Menschen sowieso. Hin und wieder gottlob auch eine Ausnahme.

Eine Antwort auf „Habe die Ehre. Oder keine?“

  1. Ehre, das ist doch für sich genommen schon ein gar großartig Ding. Grund genug, sich danach zu strecken. Und wo sie einem freiwillig nicht zuteilwird, zum Beispiel in den eigenen vier Wänden oder im Beruf, da tue man im Verein über lange Zeiträume hinweg alles, was sonst liegen bleibt, mache sich eine Weile unentbehrlich, bis niemand mehr an einem vorbei kommt, angesichts all der vielen Aufgaben, die man tagaus und tagein, mit ganzem Herzblut, allein um der Sache willen, sonst macht es ja keiner, was täten wir ohne ihn blablablaundsoweiter. – Toller Nebeneffekt: man erstickt damit die Kritik im Keim und muss gar nicht mehr so viele Freigeister rausdrücken, womit man, so fix geht das, wieder beim Thema der Macht angelangt wäre. Nun müssen wir nur noch, das Kinn nach oben und den Blick auf die Ehrenmänner gerichtet, die Hacken zusammenknallen, ein strammes Danke! Danke! ausrufen und tun, was erwartet wird. Das ist, sehr deutsch im Übrigen und unschwer zu erraten: den Untertan geben. Läuft, das haben wir im Kreuz!

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