Wenn Stimme und Saite ohne Umstand zueinander finden – oder überzeugend so tun als ob – dann wird es oft extra gut. Wie hier. Wie bei „Recital of Lute Songs“, wo sich zwei Briten, der Tenor Peter Pears und der Lautenist Julian Bream, sonst grösserer Name noch an der Gitarre, zusammengetan haben, um britische Songs der Renaissance scheinbar umstandslos zu interpretieren. Die Aufnahme stammt von 1958, veröffentlicht wurde sie 1960; mitgeschnitten haben sie die Toningenieure der Plattenfirma Decca, die insbesondere in den Sechzigerjahren für die Klangqualität ihrer Mitschnitte berühmt war. Die Interpretation, wie das in der Duo-Konstellation fast zu vermuten war, geschieht auf die intime Art. Auf die intimste Art sogar. Pears verfügt über ein bisweilen da und dort ein wenig steifes, doch grundsätzlich eher ein zu gleichen Teilen so einschmeichelndes wie aristokratisches Timbre; er artikuliert auch stets verständlich – trotz altenglischer, gewöhnliche Kontinentaleuropäer schreckender Wortwahl bei der hier dargebrachten Lyrik. Pears, am Royal College of Music in London ausgebildet, vermag eine geradezu knabenhafte Unschuld genauso zu evozieren wie artifizielles, gering überzüchtetes Melodrama. Bream ist mehr der Begleiter ohne grössere Freiheiten diesmal, er geht mit der Stimme mit und gut ist. Es ist dies auch vor allen Dingen ein Wunder an unisono. Wie die beiden im größten Miteinander das Material abschreiten, das Tempo anziehen, exakt wo es geboten scheint, es drosseln, genau da, wenn es innezuhalten und eventuell gar nachzudenken lohnt, das geschieht allzeit kunstvoll und auf den Punkt. Die Stücke der ausschließlich männlichen Komponisten sind von unterschiedlicher Beschaffenheit. Können arg höfischen Odor verstömen, dabei aber immer noch im Wesenskern reizvoll-galant anmuten, geraten aber auch tanzbar oder großflächig verklärt; und handeln meist von der Liebe – aus der Sicht des Herrn auf die Dame geschildert, denn die Zeit der Frauenemazipation war fern. Es sind insgesamt 18 Lieder, die Worte wie „ladies“, „lady“, „nymphs“, „mistress“, „love“ in ihren Titeln enthalten und die ein Pears engagiert vortägt; ein schwuler Sänger also – das könnte der amüsanteste Aspekt dieser Kompilation sein. Amüsant? Letztendlich wird ja Liebe besungen, ein flüchtiges Gespinst, das ein Geschlecht nicht kennt. Natürlich wird John Dowland ausgestellt, ein wichtiges Aushängeschild, wenn man schon von Klassik im Zusammenhang mit Großbritannien sprechen mag. Dowland war selbst Lautenist und verfaßte zahlreiche Ayres oder Airs, also simple Kompositionen in Liedform, für Singstimme und Laute. Sogar Sting spielte Dowlands Lieder in Begleitung der Laute von Edin Karamazov ein, was nicht für aber auch nicht direkt gegen diesen Liederkanon spricht. Man fragt sich beim Zuhören nicht nur einmal, wie die Menschen des elisabethanischen Zeitalters, konstruiert waren, wie fern von uns sie sind, wie nahe. Wie muß man ticken, um ein Stück mit dem Titel „Sorrow stay“ zu schreiben; schickt es sich überhaupt, Trauer, selbst wenn es die eigene Trauer ist, zu genissen? In „I saw my lady weeping“ von Thomas Morley, einem fabelhaften Air-Exponenten und Dowlands Zeitgenossen, gibt sich Pears extrem entrückt, in sich wie gefangen, nahezu platt vor lauter sorrow, was Bream – ein Flash nur – mit einer kurzen, beschleunigten Akkordabfolge zu hinterfragen wagt; eine feine anarchistische Episode. Bei „Rest, sweet nymphs“ von Francis Pilkington nimmt man sich reichlich Zeit, dehnt den Song wie es vermutlich heutzutage keiner jemals riskieren würde. Es ist dann eine simple, mehrfach wiederholte und dadurch grundfeste Lalala-Phrase, die Pears derlei unaufgeregt und herzlich gestaltet, dass es all die Liebessehnsüchte jeglicher Zeitalter wie auf MP3, nur eben in besserer Klangqualität, komprimiert. Meist geht es aber bei Pears & Bream nicht um Kontraste oder mögliche Weltentwürfe, sondern um Harmonie. Und Harmonie, wenn ehrlich gezeugt, ist eine Wohltat doch.